(Boeckxstaens et al., 2011, The New England Journal of Medicine)

Pneumatische Dilatation (PD) und laparoskopische Heller Myotomie (LHM) sind in der Therapie der Achalasie kurfristig (nach 2 Jahren) gleichwertig. Die PD ist allerdings mit inakzeptabler Komplikationsrate assoziiert.

Boeckxstaens und Kollegen haben in 2011 die Ergebnisse einer europäischen Studie publiziert, die zwischen 2003 und 2008 an mehreren Institutionen in den Niederlanden, Belgien, Italien, Spanien und Frankreich durchgeführt worden war: In der Studie war randomisiert (d.h. per Zulosung des Therapieverfahrens) die Pneumatische Dilatation (PD) mit der laparoskopischen Heller Myotomie (LHM) verglichen worden. Diese Studie bedient also formal den höchstrangigen wissenschaftlichen Vergleich.

Die Studie berichtet 1- und 2-Jahres-Ergebnisse bei 201 Patienten, von denen 106 Patienten zur LHM (kombiniert mit einer DOR Fundoplikatio) und 95 Patienten zur Pneumatischen Dilatatation randomisiert worden waren (mittleren Nachbeobachtungszeit 43 Monate).

Ösophagusperforationen ereigneten sich im Zusammenhang mit der pneumatischen Dilatation bei 4 der 95 Patienten (Perforationsrate 4%). Hierfür war das höhere Patientenalter ein signifikanter Risikofaktor.

Im initialen Studienverlauf war eine inakzeptabel höhere Perforationsrate von 31% bei den ersten 13 mit PD behandelten Patienten beobachtet worden (4 Perforationen). Diese Patienten sind von der weiteren Analyse ausgeschlossen worden, woraus die geringere Patientenzahl – 95 statt ursprünglich 108 – resultiert. Nach diesen Komplikationen war die ursprüngliche Strategie der Dilatation mit einem 35mm-Ballon verlassen und das Vorgehen geändert worden: Es wurde nun eine schrittweise Ballondilatation mit Verwendung zunächst eines 30mm-Ballons in der ersten Sitzung, dann eines 35mm-Ballons in einer zweiten Sitzung und erforderlichenfalls eines weiteren 40mm-Ballons in einer dritten Sitzung verwendet. Erst nach Ausschöpfung dieser Maßnahmen wurden Patienten als Therapieversager klassifiziert.

Im Zusammenhang mit der LHM ereigneten sich  Schleimhautverletzungen bei 12% der Patienten. Diese Schleimhautverletzungen wurden unmittelbar während der Operation repariert. Ein UMstieg zum offenen Vorgehen war in einem Fall erforderlich. Ösophagusperforationen/-rupturen (Speiseröhrenzerreißungen) ereigneten sich im Zusammenhang mit der LHM nicht, anders als mit der PD, wo insgesamt 8 Perforationen (s.o) zu verzeichnen waren. Allerdings bedient sich die Veröffentlichung eines “Kunstgriffs” indem sie die erste Serie der 4 Perforationen bei den ersten 13 mit PD behandelten Patienten, bevor dann das Vorgehen geändert wurde, von der Auswertung ausschließt. Dies widerspricht einem grundlegenden Prinzip der Analyse von Studien (sog. “Intention-to-treat”). So kommt die inakzeptabel hohe Perforationsrate von 31% bei PD in dieser Serie nicht zum Tragen.

Die Therapieerfolgsraten (definiert durch einen Eckardt-Score ≤3) nach einem Jahr betrugen 90% in der PD-Gruppe und 93% in der LHM Gruppe. Auch nach 2 Jahren war kein Unterschied zu verzeichnen mit 86% in der PD-Gruppe und 90% in der LHM-Gruppe. Ebenfalls keine Unterschiede bestanden zwischen den Gruppen hinsichtlich der Senkung des UÖS-Drucks und der Entleerung (Clearance) der Speiseröhre, gemessen in der Breischluckuntersuchung. Auch die Lebensqualität war in beiden Gruppen nach zwei Jahren gleich. In der Studie war auch die Säurebelastung (Reflux) mit der 24h-pH-Metrie gemessen worden. Hier zeigte sich 15% Reflux in der PD-Gruppe und 23% in der LHM-Gruppe.

Die Schlussfolgerung der Autoren ist, dass die LHM im Vergleich zur PD nach 2 Jahren nicht mit einer überlegenen Therapieerfolgsrate einhergeht.

Kritische Kommentar

(von Rahden et al., 2011, Chirurg)

“… Zunächst wundert man sich natürlich über die Modifikation der Intention-to-treat-Analyse und den Ausschluß der initialen 13 Patienten, die im Zusammenhang mit der Ballondilatation eine Ösophagusperforation erlitten hatten. Die Herausnahme der inakzeptabel hohe Perforationsrate von 31% führt klarerweise zu einer deutlichen Verzerrung zu Gunsten der pneumatischen Dilatation. Weiter werden die weiteren 4 Ösophagusperforationen durch Ballondilatation in der Studiengruppe (von denen zwei eines operativen Management bedurften) 12 [Schleimhautverletzungen] im Zusammenhang mit der Heller-Myotomie gegenübergestellt. Obwohl in der Arbeit auch erwähnt wird, dass diese Perforationen während der Operation sofort repariert wurden und folgenlos ausheilten, ist es natürlich unzulässig diese Mukosa-Läsionen den Ösophagusperforationen durch Ballondilatation als gleichwertig gegenüberzustellen. Der Hauptkritikpunkt an der hochrangigst publizierten Arbeit muß allerdings die Kürze der Nachbeobachtungszeit sein. Es handelt sich hier um 1- und 2 Jahres-Ergebnisse. Hierbei sollte man sich vor Augen führen, dass es bei den Patienten in oft jüngerem Lebensalter (Durchschnittsalter in dieser Studie um 45 Jahre) um eine langfristig gute Schluckfunktion und Lebensqualität geht. Aus der klinischen Praxis und der Literatur ist bekannt, dass viele Patienten nach pneumatischer Dilatation im weiteren Verlauf noch einer weiteren Therapie bedürfen, weshalb die Effektivität eines Verfahrens nicht am kurzfristigen Therapieerfolg gemessen werden sollte, sondern daran, ob langfristig keine weiteren Therapien mehr erforderlich sind . In der Studie von Boeckxstaens wurden konzeptgemäß mehrere Ballondilationen in mehren Therapiesitzungen durchgeführt. Hier scheint ein möglicher Patientenwille nach mehrfacher erfolgloser Dilatation eine definitive operative Therapie zu erhalten nicht berücksichtigt worden zu sein.
Es ist bekannt, dass die chirurgische Therapie bei durch Ballondilatation vorbehandelten Patienten schwieriger sein kann, als bei nicht vorbehandelten Patienten, obwohl sich nicht notwendigerweise ein negativer Effekt auf den Therapieerfolg der chirurgischen Behandlung einstellen muß. Ferner unterliegen natürlich die chirurgische Serien – nicht nur potentiell sondern faktisch – durch Einschluß der vorbehandelten Patienten einer negativen Selektion. Ein operatives Detail, welches der kritischen Diskussion bedarf, ist die Länge der Myotomie im Bereich der Kardia: Es besteht weitestgehend Einigkeit, dass die Fundusmyotomie unterhalb des ösophagogastralen Übergangs mindestens 2-3 cm lang sein sollte. Die in der Studie von Boeckxstaens durchgeführte Myotomiestrecke von 1-1,5 cm ist definitiv als zu kurz anzusehen. Insgesamt darf man wohl schlussfolgern, dass die Studie von Boeckxstaens und Kollegen durchaus zur Kenntnis genommen, aber in genannten Punkten durchaus kontrovers diskutiert werden sollte. Auf jeden Fall werden wohl die Langzeitergebnisse abgewartet werden müssen, die eine bessere Aussage hinsichtlich der Wertigkeit der Ballondilatation ermöglichen könnten, als die jetzt vorgelegten Kurzzeitergebnisse. Bis auf weiteres kann wohl – basierend auf der Datenlage – die laparoskopische Myotomie nach Heller mit Fundoplikatio nach Dor weiter als Therapiestandard in der Erstlinientherapie der Achalasie empfohlen werden.”

Literatur

Boeckxstaens GE, Annese V, des Varannes SB, Chaussade S, Costantini M, Cuttitta A, Elizalde JI, Fumagalli U, Gaudric M, Rohof WO, Smout AJ, Tack J, Zwinderman AH, Zaninotto G, Busch OR; European Achalasia Trial Investigators (2011) Pneumatic dilation versus laparoscopic Heller’s myotomy for idiopathic achalasia. N Engl J Med. 364: 1807-16. [Externer LINK zur MEDLINE]

von Rahden BHA, Gockel I, Germer CT (2011) Therapie der Achalasie: Was sagen uns die Daten der neuen prospektiv randomisierten Studie?/ [Treatment of Achalasia: What do new data from a prospectively randomized study tell us?] 82:839-40. [Externer LINK zur MEDLINE]